Schadensregulierung nach Unfall: Ihre Rechte als Geschädigter

Inhaltsverzeichnis

Schaden melden – aber wo genau?

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall stellt sich schnell die Frage: Muss ich den Schaden meiner eigenen Versicherung melden oder direkt zur gegnerischen Haftpflicht gehen? Die Antwort ist: Beides – aber mit unterschiedlichem Ziel.

Meldung an die gegnerische Versicherung

Als Geschädigter müssen Sie den Unfall bei der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers melden. Diese ist für die Regulierung des Schadens verantwortlich. Sie können entweder:

  • den Versicherungsnehmer (Unfallgegner) um seine Versicherung bitten,
  • oder über den Zentralruf der Autoversicherer (0800 250 2600) das Versicherungsunternehmen anhand des Kennzeichens ermitteln.

Die Schadenmeldung kann telefonisch, schriftlich oder online erfolgen. Wichtig ist, dass Sie alle relevanten Dokumente beilegen:

  • Unfallbericht
  • Fotos
  • Zeugenaussagen
  • ggf. ein bereits erstelltes Gutachten

Meldung an die eigene Versicherung

Auch wenn Sie nicht der Verursacher sind, sollten Sie Ihre eigene Versicherung informieren. Das dient zur Absicherung, falls z. B. doch eine Teilschuld festgestellt wird oder der Gegner Fahrerflucht begeht. Einige Verträge verpflichten zur Anzeige eines Unfalls, selbst bei Fremdverschulden.

Achtung: Wenn Sie Leistungen Ihrer Kaskoversicherung (z. B. bei Fahrerflucht) in Anspruch nehmen, kann sich das auf Ihren Schadenfreiheitsrabatt auswirken. Daher gut abwägen und ggf. beraten lassen.

Eigene vs. gegnerische Versicherung – wer ist zuständig?

Bei einem klar unverschuldeten Unfall ist allein die gegnerische Haftpflichtversicherung in der Pflicht, Ihre Ansprüche vollumfänglich zu regulieren. Ihre eigene Versicherung spielt nur eine Nebenrolle, sofern Sie keine Leistungen von dort beanspruchen.

Thema

Eigene Versicherung

Gegnerische Versicherung

Zuständigkeit

Nur bei Kaskoschaden oder Obliegenheit

Ja, bei Fremdverschulden

Gutachter beauftragen

Nein 

Ja

Mietwagenkosten

Vertragsabhänig

Ja

Schmerzensgeld

Nein

Ja

Anwaltkosten

Nein

Ja

Wichtig: Die gegnerische Versicherung ist Ihr “Gegner”, nicht Ihr Helfer. Deren Ziel ist es, möglichst wenig zu zahlen. Daher: Kommunikation nie ohne juristischen Beistand!

Welche Ansprüche habe ich? (inkl. der 16 Anspruchspositionen)

Vielen Geschädigten sind nur zwei bis drei Ansprüche bekannt – etwa Reparaturkosten und Schmerzensgeld. Tatsächlich gibt es bis zu 16 regulierbare Positionen, die je nach Schadensbild geltend gemacht werden können:

  1. Reparaturkosten
  2. Wiederbeschaffungswert (bei Totalschaden)
  3. Restwert des alten Fahrzeugs
  4. Nutzungsausfallentschädigung (bei Verzicht auf Mietwagen)
  5. Mietwagenkosten (bei Mobilitätsausfall)
  6. Wertminderung (merkantiler Minderwert)
  7. Schmerzensgeld
  8. Heilbehandlungs- und Arztkosten
  9. Fahrtkosten zu Arzt, Werkstatt, Anwalt etc.
  10. Haushaltsführungsschaden (bei Verletzung von haushaltsführenden Personen)
  11. Verdienstausfall
  12. Umbaukosten bei dauerhaften Einschränkungen (z. B. behindertengerechtes Auto)
  13. Anwaltskosten
  14. Gutachterkosten (freie Wahl!)
  15. Standkosten (Werkstatt, Abschleppdienst)
  16. Kostenpauschale (Telefon, Porto etc. – i. d. R. pauschal 20–30 Euro)

Tipp: Lassen Sie Ihre individuellen Ansprüche prüfen. Nicht jede Position ist in jedem Fall relevant, aber viele werden zu Unrecht übergangen, wenn man sie nicht explizit einfordert. 

Abläufe und Fristen bei der Regulierung

Ein Unfall wirft viele organisatorische Fragen auf. Um nicht in Verzug zu geraten oder Fristen zu verpassen, ist ein klarer Ablaufplan hilfreich.

Zeitlicher Ablauf

  1. Direkt nach dem Unfall: Beweise sichern, Fotos machen, Zeugen notieren, Polizei (falls nötig)
  2. Innerhalb von 1–2 Tagen: Gutachter beauftragen, Anwalt kontaktieren
  3. Innerhalb 7 Tagen: Schadenmeldung an die gegnerische Versicherung
  4. Nach Erhalt des Gutachtens: Ansprüche geltend machen über den Anwalt
  5. 2–6 Wochen danach: Regulierung bzw. erste Reaktion der Versicherung

Verjährung

  • Reguläre Verjährung: 3 Jahre zum Jahresende
  • Beweissicherung: Je früher, desto besser (z. B. Arztberichte, Fotos)

Tipp: Dokumentieren Sie jeden Schritt mit Datum. Bei Streitigkeiten hilft eine lückenlose Nachweisführung.

Auszahlung oder Reparatur – wer entscheidet?

Grundsatz: Sie entscheiden. Die gegnerische Versicherung hat Ihnen nichts vorzuschreiben.

Reparatur

Wenn Sie das Fahrzeug reparieren lassen, kann dies in einer Werkstatt Ihrer Wahl geschehen. Sie müssen sich nicht an Partnerwerkstätten oder Vorschläge der Versicherung halten. Voraussetzung: Die Reparaturkosten übersteigen nicht den Wiederbeschaffungswert oder liegen innerhalb der 130%-Regel.

Fiktive Abrechnung

Statt zu reparieren können Sie sich den Schaden auch auszahlen lassen. Die Basis ist das unabhängige Gutachten.

Beachten Sie:

  • Nur der Nettobetrag (ohne MwSt.) wird erstattet
  • Bei Teilschuld oder unklarer Haftung können Abzüge erfolgen

Die 130%-Regel

Wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen (aber max. 30% höher sind), darf trotzdem repariert werden, wenn:

  • die Reparatur fachgerecht erfolgt
  • das Fahrzeug mind. 6 Monate weitergenutzt wird

Nutzungsausfall & Mietwagen: Rechte, Risiken, Fallstricke

Wenn Ihr Fahrzeug nach einem Unfall nicht fahrbereit ist, stehen Ihnen zwei Optionen offen:

Nutzungsausfallentschädigung

  • Pauschalbetrag pro Tag für die Zeit, in der Sie Ihr Auto nicht nutzen konnten
  • Betrag richtet sich nach Fahrzeugtyp (Schwacke-Liste)
  • Voraussetzungen: Ausfall muss durch Gutachten oder Reparaturbestätigung nachgewiesen sein

Beispiel: Golf = 35 €/Tag, BMW 5er = 65 €/Tag

Mietwagen

  • Anspruch besteht für den tatsächlich benötigten Zeitraum
  • Versicherung zahlt nur, wenn das Fahrzeug wirklich gebraucht wird (z. B. Arbeitsweg, Kinderbeförderung)
  • Keine Luxusklasse mieten, wenn ein Kompaktwagen betroffen ist
  • Achten Sie auf angemessene Tarife (Schwacke oder Fraunhofer)

Hinweis: Nutzungsausfall und Mietwagen schließen sich gegenseitig aus.

Schmerzensgeld – Anspruch, Nachweise, Berechnung

Wann besteht Anspruch?

  • Bei körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen infolge des Unfalls
  • Auch “leichte” Verletzungen wie Schleudertrauma oder Prellungen zählen

Erforderlich:

  • Arztbesuche und Dokumentation
  • Ggf. psychologische Gutachten
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Höhe des Schmerzensgeldes

Diese variiert stark und ist vom Einzelfall abhängig. Anhaltspunkte geben Schmerzensgeldtabellen (z. B. Hacks/Ring/Böhm).

Beispiele:

  • HWS-Schleudertrauma (leicht): 200–500 €
  • Frakturen ohne OP: 1.000–3.000 €
  • Frakturen mit OP und Reha: 5.000–20.000 €
  • Dauerhafte Schäden: >25.000 €

Tipp: Die Versicherung wird oft nur Mindestbeträge zahlen. Ein Anwalt kann für realistische Forderungen sorgen.

Wie Versicherungen versuchen zu kürzen – typische Taktiken

  • Kürzung des Gutachtens: Versicherer behaupten, einzelne Reparaturposten seien überzogen
  • Verweis auf billigere Werkstatt: Dabei ist freie Werkstattwahl Ihr Recht
  • Kürzung der Mietwagenkosten mit Hinweis auf “günstigere Tarife”
  • Angeblich zu hohe Nutzungsausfallpauschale
  • Verzögerungstaktiken (z. B. monatelange Bearbeitungsdauer)
  • Vergleichsangebote mit niedriger Auszahlung

Lösung: Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Jeder Cent, den Sie nicht einfordern, ist ein Gewinn für den Versicherer.

Warum ein Anwalt (fast) immer sinnvoll ist

Ein Anwalt für Verkehrsrecht:

  • kennt alle Ansprüche
  • erkennt Kürzungen sofort
  • übernimmt die gesamte Kommunikation
  • ist kostenlos bei Fremdverschulden, da die gegnerische Versicherung zahlt

Fazit: Ohne anwaltliche Hilfe werden viele Positionen einfach ignoriert oder zu niedrig angesetzt.

Fazit: Ihre Rechte kennen, durchsetzen und behalten

Ein unverschuldeter Unfall ist nie banal. Die Versicherer handeln professionell – Sie sollten das auch tun. Vertrauen Sie auf erfahrene Gutachter, kompetente Anwälte und einen strukturierten Ablauf.

Was Sie mitnehmen sollten:

  • Melden Sie den Schaden selbstbewusst und umfassend
  • Lassen Sie sich nicht auf Gespräche mit der gegnerischen Versicherung ein
  • Dokumentieren Sie alles
  • Holen Sie sich unabhängige Hilfe

Nur so stellen Sie sicher, dass Sie bekommen, was Ihnen zusteht – nicht weniger.

Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine Rechtsberatung. Wir vermitteln Ihnen aber gerne unverbindlich qualifizierte Anwälte oder Gutachter in Ihrer Region.