Unfall-Sonderfälle: Was tun bei Fahrerflucht, Teilschuld & Co.?

Inhaltsverzeichnis

Die gegnerische Versicherung zahlt nicht

Sie haben alles ordnungsgemäß gemeldet, ein Gutachten liegt vor, doch es passiert – nichts. Die Versicherung zahlt nicht oder verzögert die Regulierung – ein ärgerlicher, aber häufiger Fall.

Typische Verzögerungstaktiken:

  • Rückfragen zu Details, die bereits beantwortet wurden
  • Anforderung zusätzlicher Unterlagen in mehreren Etappen
  • Anzweiflung des Gutachtens
  • Forderung nach einem eigenen Gutachter oder Nachbesichtigung
  • Pauschale Aussagen wie: “Die Bearbeitung dauert derzeit länger als gewohnt”

Was Sie tun sollten:

  1. Lassen Sie den gesamten Schriftverkehr über einen Anwalt laufen.
  2. Setzen Sie Fristen: Z. B. Zahlung bis 10 Werktage nach Zugang.
  3. Dokumentieren Sie jede Kommunikation.
  4. Bei anhaltender Verweigerung: Klage auf Zahlung einreichen (Anwalt unterstützt dabei)

Wichtig: Ohne rechtlichen Beistand können Sie die Versicherung kaum zur Zahlung zwingen. Anwälte sind nicht nur juristisch bewandert, sondern genießen auch mehr Durchsetzungskraft.

Der Unfallgegner will privat zahlen – was tun?

“Lass uns das ohne Versicherung regeln” – dieser Satz fällt oft direkt nach dem Unfall. Die Idee: Der Unfallverursacher zahlt den Schaden aus eigener Tasche, um eine Beitragserhöhung bei der Versicherung zu vermeiden.

Klingt verlockend, ist aber riskant.

Warum Sie vorsichtig sein sollten:

  • Es können verdeckte Schäden vorhanden sein
  • Spätere Beschwerden (z. B. Gesundheit) bleiben unberücksichtigt
  • Der Verursacher zahlt nicht oder “vergisst” es
  • Sie haben keinen Beweis, falls der Schaden sich vergrößert

Wenn Sie es dennoch versuchen:

  • Lassen Sie sich die Zahlung sofort vor Ort bar geben 
  • YHalten Sie eine schriftliche Schuldanerkenntnis fest (inkl. Name, Anschrift, Kennzeichen, Unfallbeschreibung, Schaden, Summe, Unterschriften)
  • Fertigen Sie umfangreiche Fotos an

Tipp: Sobald Zweifel bestehen oder der Schaden mehr als 500 € beträgt, ist der Weg über Gutachter und Versicherung der sicherere Weg. Ein Rückgriff auf die gegnerische Versicherung ist nachträglich nur schwer möglich, wenn bereits ein “Vergleich” geschlossen wurde.

Unfall ohne Zeugen – wie kann ich den Hergang beweisen?

Ein unfalltypisches Dilemma: Es gab keinen unabhängigen Zeugen. Aussage gegen Aussage. Wer hat nun Recht?

Was tun?

  • Fertigen Sie direkt nach dem Unfall Fotos aus verschiedenen Perspektiven an
  • Erstellen Sie eine Unfallskizze mit Positionsangaben
  • Dokumentieren Sie Wetter, Sichtverhältnisse, Straßenzustand, Verkehrszeichen
  • Sichern Sie Kameraaufnahmen aus umliegenden Gebäuden, Dashcams oder Bussen (zeitnah!)
  • Fragen Sie in Geschäften oder bei Anwohnern nach Beobachtungen
  • Polizei informieren und auf eine Unfallaufnahme bestehen

Rechtlich wichtig:

  • Ihre Aussage alleine kann genügen, wenn sie plausibel und widerspruchsfrei ist und von objektiven Beweisen gestützt wird (z. B. Gutachten, Fotos)
  • Ein Unfallgutachten ist hier besonders hilfreich, da es technische Widersprüche aufdecken kann (z. B. Unmöglichkeit des Hergangs, wie vom Gegner geschildert)

Tipp: Notieren Sie direkt nach dem Unfall alles, was Sie erinnern. Spätere Gedächtnislücken sind oft hinderlich.

Polizei nimmt den Unfall nicht auf – was nun?

Gerade bei Blechschäden oder vermeintlich “harmlosen” Unfällen sagt die Polizei oft: “Das ist eine reine Versicherungssache.”

Was bedeutet das für Sie?

  • Es gibt keine offizielle Unfallakte
  • Die Beweissicherung liegt allein bei Ihnen

Was Sie tun sollten:

  • Bestehen Sie freundlich, aber bestimmt auf eine Unfallaufnahme – besonders bei unklarer Schuldfrage, Verletzungen oder Auslandsbeteiligung
  • Wenn die Polizei nicht kommt: Erstellen Sie selbst eine vollständige Dokumentation (Fotos, Skizze, Daten)
  • Lassen Sie den Gegner eine Unfallmitteilung unterschreiben (kein Schuldanerkenntnis, nur Schilderung)

Tipp: Ein Gutachten ist in solchen Fällen besonders wertvoll, da es den Unfallhergang objektiv und fachlich nachvollziehbar dokumentiert.

Was tun bei Verletzungen ohne sichtbare Schäden?

Nicht jeder Schaden ist sichtbar. Gerade Verletzungen wie Schleudertrauma, Prellungen oder psychische Beeinträchtigungen treten oft verspätet auf oder sind von außen nicht erkennbar.

Typische “unsichtbare” Beschwerden:

  • Schleudertrauma (HWS-Distorsion)
  • Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit
  • Schlafstörungen, Angstzustände
  • Reizbarkeit, Erschöpfung, Depressionen

Was tun?

  1. Gehen Sie sofort oder am nächsten Tag zum Arzt, selbst wenn die Symptome gering erscheinen
  2. Bestehen Sie auf einer ausführlichen Untersuchung und einer Dokumentation als Unfallfolge
  3. Führen Sie ein Schmerztagebuch (Datum, Uhrzeit, Symptome, Einschränkungen)
  4. Informieren Sie auch Ihren Anwalt, damit er Schmerzensgeldforderung korrekt vorbereitet

Tipp: Auch scheinbar kleine Beschwerden können zu hohen Schmerzensgeldansprüchen führen, wenn sie gut dokumentiert sind. Ohne Arztbericht: keine Ansprüche!

Fazit: In Sonderfällen nicht allein bleiben

Unfallregulierung ist selten ein geradliniger Prozess. Gerade in Sonderfällen geraten viele Geschädigte unter Druck: Die Versicherung zahlt nicht, die Polizei hilft nicht, der Gegner will bar zahlen.

Unser Rat:

  • Handeln Sie nie vorschnell – dokumentieren Sie alles
  • Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch: Anwalt, Gutachter, medizinische Fachleute
  • Nutzen Sie Ihre Rechte konsequent, auch wenn es unbequem erscheint

Denn wer gut vorbereitet ist, hat auch in Sonderfällen die besten Karten für eine faire und vollständige Entschädigung.