Indizienbeweis – wenn der Unfall nicht direkt bewiesen werden kann

In vielen Unfallsituationen fehlt ein klarer Beweis, etwa weil keine Zeugen vorhanden sind oder keine Videoaufnahmen existieren. In solchen Fällen kann der sogenannte Indizienbeweis entscheidend sein. Dabei wird der Hergang des Unfalls durch logische Schlussfolgerungen aus bekannten Tatsachen hergeleitet. Der Indizienbeweis ist rechtlich anerkannt – setzt aber eine geschlossene Beweiskette voraus.

Was ist ein Indizienbeweis genau?

Ein Indizienbeweis (auch mittelbarer Beweis genannt) liegt vor, wenn nicht der eigentliche Unfallablauf direkt bewiesen, sondern durch begleitende Umstände nachvollziehbar rekonstruiert wird. Dabei stützt sich das Gericht auf:

  • Spurenbilder am Unfallort (z. B. Kratzspuren, Lackanhaftungen)

  • Fahrzeugbeschädigungen und deren Position

  • physikalische Gegebenheiten (z. B. Bremsweg, Aufprallwinkel)

  • Auffälliges Verhalten nach dem Unfall (z. B. Flucht, Falschaussagen)

  • Plausibilitätsprüfungen von Gutachtern

Diese Indizien müssen so zusammenspielen, dass sich ein überzeugendes Gesamtbild ergibt, welches den Unfallhergang mit hoher Wahrscheinlichkeit belegt.

Wann spielt der Indizienbeweis eine Rolle im Verkehrsrecht?

Der Indizienbeweis ist besonders relevant, wenn:

  • Aussage gegen Aussage steht

  • der Unfallhergang nicht eindeutig nachvollziehbar ist

  • keine objektiven Hauptbeweise wie Dashcam-Videos oder Zeugen vorliegen

  • es um die Klärung der Schuldfrage bei Unfällen geht

  • eine Teilschuld oder eine Haftungsquote angezweifelt wird

Gerichte greifen regelmäßig auf Indizienbeweise zurück, z. B. bei Parkplatzunfällen, Auffahrunfällen oder Unfallflucht.

Was sollten Geschädigte beim Indizienbeweis beachten?

  • Sichern Sie alle Beweismittel, die mögliche Indizien darstellen könnten: Fotos vom Unfallort, Fahrzeugpositionen, Schäden, Spuren
  • Beauftragen Sie bei Bedarf einen Sachverständigen, der aus technischer Sicht eine rekonstruierbare Unfallanalyse liefern kann
  • Ziehen Sie einen Verkehrsanwalt hinzu, der Indizien rechtlich korrekt aufarbeitet und vor Gericht argumentieren kann
  • Lückenhafte oder widersprüchliche Indizien können vom Gericht verworfen werden – je besser dokumentiert, desto stärker der Beweiswert